Freiburg (dts) – Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, hält die Darstellung, im ländlichen Raum fehle es speziell an Ärzten, die Abtreibungen vornehmen, für übertrieben. „Im ländlichen Raum ist es heutzutage insgesamt schwierig, Ärzte zu finden, egal ob für eine Abtreibung oder für eine Gallenuntersuchung“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ (Mittwochausgabe).
Das Phänomen, dass manche Abtreibungsärzte im gesetzten Alter nicht in den Ruhestand gehen können, weil dann im sehr weiten Umkreis niemand anders da wäre, zog sie in Zweifel. „Ich habe den Eindruck, dass das in der öffentlichen Darstellung übertrieben wird“, sagte die Chefin des Wohlfahrtsverband der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Schon heute seien die Länder rechtlich verpflichtet, sicherzustellen, dass in Sachen Schwangerschaftsabbruch Versorgungssicherheit gewährleistet ist. „Wir müssen schauen, dass sie dieser Verpflichtung nachkommen.“
Welskop-Deffaa verteidigte die geltende Rechtslage gegen die derzeit laufenden Bemühungen, eine parlamentarische Mehrheit für eine Legalisierung von Abtreibungen zu finden. „Ich bin enttäuscht, wie kurz das historische Gedächtnis derjenigen ist, die die bisher geltende Regelung ändern wollen. Sie tun so, als hätten wir noch eine Rechtslage wie in den Siebzigern“, sagte die Caritas-Präsidentin. „Dabei ist das zum Glück nicht der Fall.“
In diesem Zusammenhang nahm sie auch Stellung zu einer Forsa-Umfrage, nach der 74 Prozent der Bevölkerung für die Legalisierung sind. „Ich glaube, viele Menschen haben eine falsche Vorstellung davon, was Rechtslage ist, und fordern nur deshalb, den Paragrafen 218 abzuschaffen“, sagte Welskop-Deffaa. Eine bessere Balance als derzeit zwischen den Rechten der Mutter und denen des werdenden Lebens lasse sich ihrer Ansicht nach schwer finden.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) ist die Zahl der Ärzte, die Abtreibungen durchführen, von 2.030 im Jahr 2003 auf 1.100 im Jahr 2021 gefallen. Zum Teil beträgt die geringste Entfernung von einem Abtreibungsarzt zu seinem nächstgelegenen Kollegen über 100 Kilometer.
Foto: Krankenhaus (Archiv), via dts Nachrichtenagentur