Bonn/Berlin. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) Claus Weselsky hat kurz vor Beginn des angekündigten, fünftägigen Streiks scharfe Kritik an Bahnchef Richard Lutz geäußert und dem Management Ahnungslosigkeit vorgeworfen: „Herr Lutz beschwört die Eisenbahnerfamilie.
Und ich sage Ihnen ganz offen: Die Eisenbahnerfamilie gibt es schon lange nicht mehr, und zwar seitdem wir von Verwaltungs-und Führungskräften überschwemmt werden und Menschen, die von Eisenbahn keine Ahnung haben“, erklärte der GDL-Chef im phoenix-Interview. Die Führungsriege wolle „Kolleginnen und Kollegen, die ein Leben lang diesem Beruf und dieser Profession nachgehen, beibringen, wie die Eisenbahn schneller und besser laufen“ könne, so Weselsky weiter, „und sie schaffen es nicht“.
Der Bahn AG warf Weselsky vor, sich nicht an den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst zu orientieren: „Das Eisenbahnsystem (…) hat an anderer Stelle wunderbare Tarifabschlüsse zustande gebracht, exakt mit den Kennzahlen des öffentlichen Dienstes“. Andere Eisenbahnverkehrs-Unternehmen hätten ebenfalls Umsatzausfälle durch Corona und erhielten staatliche Hilfen. Die Frage sei daher: „Warum geht es dort? Warum geht es im staatseigenen Konzern nicht? Die Antwort lautet: Weil eine Umverteilung stattfindet von unten nach oben, weil die Manager sich die Taschen vollhauen mit enormen Summen, mit enormer Altersvorsorge, und den kleinen Menschen die wenigen Euro wegnehmen wollen“, so der Vorwurf des GDL-Vorsitzenden.
Weselsky äußerte grundsätzlich seine Bereitschaft, an den Verhandlungstisch mit der Bahn AG zurückzukehren. Voraussetzung dafür sei allerdings „ein Ende der Trickserei und Täuscherei des Bahnvorstandes“. Er warf der Bahn vor, ihre Position seit dem 7. Juni nicht verändert und Bewegung nur „vorgegaukelt“ zu haben: „Bis einschließlich heute hat die Arbeitgeberseite in der Frage der Laufzeit keine Bewegung gemacht, in der Frage der Corona-Prämie nichts. Eine Corona-Prämie anzubieten, ist kein Angebot im Sinne von Tarifverhandlungen.“
Auch habe die Bahn keinerlei Zugeständnisse zur Fortsetzung der Betriebsrente gemacht. Kritik an den persönlichen Angriffen auf den Bahnchef wies der GDL-Chef zurück. „10.000 Kolleginnen und Kollegen dieses Arbeitgebers gehen in den Streik, und nicht weil ich persönlich ein Problem habe, sondern weil sie davon überzeugt sind, dass dieser Arbeitgeber nachgeben muss und sie vernünftig entlohnen und vor allen Dingen deren Betriebsrente wieder in Kraft setzen muss“, so Weselsky.
PM/phoenix