Berlin (dts) – Experten warnen vor der Gefahr rechtsterroristischer Chatgruppen. Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) hat erhoben, wie groß eine dort aktive Neonazi-Subkultur ist, die Anschläge und Sabotageakte propagiert und daher auch als „Terrorgram“ bezeichnet wird.
Laut der Studie, über die der „Spiegel“ berichtet, sind mindestens 164 Chatgruppen aktiv, die dem Netzwerk zugerechnet werden können. Cemas zählte in den Gruppen 651 deutsche Nutzer. Sie setzten seit Anfang 2022 mehr als 317.000 Nachrichten ab. 83 dieser Nutzer sind nach Ansicht der Experten „heavy user“, also besonders stark in das „Terrorgram“-Netzwerk eingebunden, weshalb von ihnen ein „erhöhtes Gefahrenpotenzial“ ausgehe.
Eine Chatgruppe, in der laut der Studie besonders viele deutsche Nutzer waren, nannte sich „Terror Wave“. Dort wurde nach „Spiegel“-Recherchen etwa der norwegische Rechtsterrorist Anders Breivik verherrlicht, der 2011 in Norwegen 77 Menschen ermordete. In dem Chat wurde auch erklärt, wie man Sprengstoff herstellt. Inzwischen ist die Gruppe offline.
Miro Dittrich, Rechtsextremismus-Experte bei Cemas, spricht von der aktuell „dominantesten Strömung des Rechtsterrorismus“. Es sei schon lange klar, dass auch viele Deutsche in dem Online-Terrornetzwerk aktiv seien. Mit so hohen Zahlen habe er nicht gerechnet. „Die Politik und die Sicherheitsbehörden müssen handeln“, sagte er dem „Spiegel“. „Andere Länder sind Deutschland bei der Bekämpfung dieser Strukturen voraus.“
Besonders beunruhigend findet Cemas-Experte Dittrich, wie jung die Mitglieder in den Chatgruppen teils sind. „Viele sind minderjährig, manche gerade mal 12 oder 13 Jahre alt“, sagte er. Terrorverherrlichende Kanäle zu sperren, sei ein wirksames Mittel, so Dittrich. Doch der Anbieter Telegram mache dies nach wie vor zu selten, wie die neue Studie zeige.
Auf Nachfrage des „Spiegel“ stritt die Plattform ab, ein sicherer Hafen für gewaltbereite Extremisten zu sein. Allein 2025 habe Telegram 74.000 Gruppen und Kanäle im Zusammenhang mit Terror und Gewaltaufrufen gelöscht, so das Unternehmen. Die Plattform habe in nur drei Monaten im vergangenen Jahr 35,6 Millionen extremistische Inhalte entfernt.
Foto: Rechtsextreme (Archiv), via dts Nachrichtenagentur